Planungsdokumente: Teilregionalplan Windenergie
Strategische Umweltprüfung
2.1 Planerische Rahmenbedingungen
Die Festlegungen der vorliegenden Planung beziehen sich auf Windenergieanlagen i.S.v. § 2 Abs. 3 WindBG, die raumbedeutsam sind (§ 3 Nr. 6 ROG). Im vorliegenden Teilregionalplan wird weder mit einer Referenzanlage gearbeitet, noch werden Mindest- oder Maximalhöhenbegrenzungen für die Windenergieanlagen vorgeschrieben. Im Rahmen der Planung war es lediglich zur Berechnung der Umgebungs- und Vorsorgeabstände notwendig, bezüglich der Größe der Windenergieanlagen Annahmen zu treffen. Da es für die Planung weder bundes- noch landesseitig Empfehlungen für eine Referenzanlage gibt, die für die Planung hätte zugrunde gelegt werden können, wurden Werte angenommen, die modernen Windenergieanlagen entsprechen ohne sich auf einen WEA-Hersteller oder WEA-Typ festzulegen. Die Annahmen erfolgten auf Grundlage einer Publikation der Fachagentur Windenergie an Land zur Ausbauentwicklung der Windenergie im Jahr 20221. Basierend auf den Daten des Marktstammdatenregisters (MaStR) wurde dort nicht nur ausgewertet, welche Anlagentypen im Jahr 2022 am häufigsten genehmigt wurden, sondern auch die Durchschnittswerte der Anlagendimensionen für jedes Bundesland ermittelt. Die im Jahr 2022 in Baden-Württemberg genehmigten Windenergieanlagen wiesen durchschnittlich eine Nabenhöhe von 158 m und einen Rotordurchmesser von 144 m auf und damit eine Gesamthöhe von 230 m. Die Gesamthöhe der Windenergieanlagen steigt über die letzten Jahre hinweg jedoch tendenziell an. Um Vorranggebiete festzulegen, die über den gesamten Planungshorizont des Teilregionalplans eine Realisierbarkeit von Windenergieanlagen ermöglichen, wurde bezüglich der Anlagendimension angenommen, dass die Gesamthöhe zwischen 230 m und 250 m liegt und der Rotordurchmesser zw. 150 m und 180 m was einen Rotorradius zwischen 75 m und 90 m ergibt. Windenergieanlagen, die diese Anlagendimensionen künftig möglicherweise überschreiten, sind in den Vorranggebieten aber ebenso realisierbar. Da der Teilregionalplan ausdrücklich nur Flächen im Maßstab von 1:50.000 gebiets-, aber nicht parzellenscharf sichert und keine konkreten Anlagenstandorte festlegt, können im Rahmen der späteren Anlagenplanung die Standorte der Windenergieanlagen so gewählt werden, dass potenziell auch größere Windenergieanlagen realisierbar sind.
Der Rotorradius ist zudem ein entscheidender Faktor für die spätere Berechnung der Flächenbeitragswerte. Ausgehend von der Definition in § 4 Abs. 3 Windenergieflächenbedarfsgesetz ist der Rotorradius gesetzlich zum Zweck der Anrechenbarkeit von Flächen mit einem Wert von 75 m vorgegeben. Für die Anrechenbarkeit der Vorranggebiete zum Flächenbeitragswert von 1,8 Prozent ist die Unterscheidung zwischen einer „Rotor-in“- (Rotor-innerhalb) und einer „Rotor-out“-Planung (Rotor-außerhalb) erforderlich. Die der vorliegenden Neuaufstellung des Teilregionalplans zugrundeliegenden Planungskriterien basieren auf einer Rotor-out-Annahme, die der Plangeber selbst bestimmen darf (§ 5 Abs. 4 WindBG). „Rotor-out“ bedeutet, dass die Rotorblattspitze über das Vorranggebiet hinausragen darf. Bei dieser Herangehensweise kann der Mastfuß einer Anlage direkt an der Grenze innerhalb eines Vorranggebiets stehen. Dieser Ansatz wurde bei der hier vorliegenden Planung gewählt, um die gesamte Fläche des jeweiligen Vorranggebiets dem Flächenbeitragswert zurechnen zu können. Rotor-innerhalb Planungen wären nur anteilig auf den Flächenbeitragswert von 1,8 Prozent anzurechnen: Das Vorranggebiet selbst abzüglich eines innen liegenden 75 m Puffers (gem. § 4 Abs. 3 WindBG). Rechnerisch wäre bei einer Rotor-in Planung eine größere Fläche für die Vorranggebiete erforderlich, um den gesetzlichen Flächenbeitragswert zu erreichen. Trotz der größeren planungsrechtlich zu sichernden Flächenkulisse wären deshalb aber nicht mehr Anlagen auf diesen Flächen realisierbar, da der Rotor komplett innenliegend sein müsste. In einer Region mit so zahlreichen Raumnutzungsansprüchen, wie der Region Mittlerer Oberrhein, wurde der Ansatz der Rotor-out-Planung gewählt, um zu vermeiden, dass zu viele Flächenanteile anderen Flächennutzungen entzogen werden. Mit der Rotor-out Planung gelingt der Kompromiss bei der planungsrechtlichen Sicherung unterschiedlicher Raumnutzungsansprüche.
Im Zusammenhang mit der gewählten Rotor-out Planung musste bei den Umgebungs- und Vorsorgeabständen der Rotorradius entsprechend dem jeweiligen Kriterium bedacht werden. Zu unterscheiden ist zwischen gesetzlich festgelegten Abständen, deren Unterschreitung nicht gestattet ist, und planerisch festgelegten Umgebungs- und Vorsorgeabständen, die in der Kriterientabelle (Spalte Begründung) jeweils näher erläutert sind. Bei Vorsorge- und Umgebungsabständen, bspw. schallbedingten Abständen, kann eine Rotorblattspitze innerhalb des angegebenen Vorsorgeabstandes rotieren, da sich die Abstände auf den Maststandort als Emissionsort beziehen. Bei den gesetzlich festgelegten Anbauverbotszonen dürfen beispielsweise keine Anlagenbestandteile innerhalb betrieben werden. Folglich dürfen sich keine Rotorblätter innerhalb der Anbauverbotszone drehen.
Windenergieanlagen werden im Freiraum errichtet, wodurch sich ein Konfliktpotenzial mit anderen Freiraumnutzungen und -funktionen ergeben kann. Die Errichtung der Windenergieanlagen sowie die Anlage der Betriebsflächen verursachen eine Veränderung der bestehenden Flächennutzung und des Landschaftsbildes. Da die Bewahrung und Entwicklung der Freiräume ebenfalls ein Auftrag der Regionalplanung ist, sollen Vorranggebiete für die Nutzung der Windenergie nur in Gebieten festgelegt werden, die ein möglichst geringes Konfliktpotenzial aufweisen. Die Regionalplanung nimmt hierdurch eine Abwägungsentscheidung zwischen dem Interesse der Windenergienutzung und entgegenstehenden räumlichen Nutzungsansprüchen bzw. -interessen (z.B. Rohstoffsicherung, Verkehr, Siedlung) vor. Den erneuerbaren Energien kommt dabei allerdings als Abwägungsbelang ein besonderes Gewicht zu, da § 2 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) die besondere Bedeutung der erneuerbaren Energien hervorhebt. Darin ist geregelt, dass die Errichtung und der Betrieb von Anlagen sowie den dazugehörigen Nebenanlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausgasneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden.
2.2 Planerische Leitsätze
Mit der Planung verfolgt der Regionalverband Mittlerer Oberrhein in Abhängigkeit von den vorliegenden räumlichen Voraussetzungen das Ziel, das für die Träger der Regionalplanung verbindliche regionale Landesteilflächenziel von mindestens 1,8 Prozent gemäß § 20 KlimaG BW zu erreichen und dem überragenden öffentlichen Interesse am Ausbau und der Nutzung der Windenergie im Sinne des § 2 EEG Rechnung zu tragen. Um eine raumverträgliche Steuerung der Standorte von Windenergieanlagen über die Festlegung von Vorranggebieten zu erreichen, wurden folgende planerische Leitsätze formuliert:
Sicherung windhöffiger Vorranggebiete mit möglichst geringem Konfliktpotenzial
Bündelung der Windenergieanlagen in der Region durch eine weitgehend gleichmäßige Verteilung der Vorranggebiete
Vermeidung räumlicher Überlastung
Um den Flächenbeitragswert von mindestens 1,8 Prozent zu erreichen, sollen nach Möglichkeit alle Teilräume der Region einen Beitrag zur Windenergienutzung leisten. Trotz unterschiedlicher Eignungsvoraussetzungen soll mit diesem Ansatz eine weitgehende Gleichbehandlung der Regionsteile gewährleistet werden. Auf diese Weise soll einerseits allen Kommunen die Möglichkeit zur Partizipation am Ausbau der erneuerbaren Energien und an der daraus resultierenden Wertschöpfung gegeben werden. Andererseits dürfen Kommunen, die über ein ausreichendes Windpotenzial und damit einhergehend auch über viele potenzielle Vorranggebiete verfügen, nicht überlastet werden. Deshalb werden im Rahmen der Planung nach Möglichkeit auch Vorranggebiete in Kommunen festgelegt, die über ein geringeres Flächenpotenzial oder ein geringeres Winddargebot verfügen. Das ist aufgrund vorliegender rechtlicher oder planerischer Ausschlussgründe nicht überall möglich. Beispielsweise können in Kommunen, die vollständig innerhalb der Anbauverbotszone des Flughafens Karlsruhe/Baden-Baden liegen keine Vorranggebiete festgelegt werden. In Regionsteilen mit einer höheren Siedlungsdichte gibt es in der Regel weniger Möglichkeiten für die Verortung potenzieller Vorranggebiete, da Vorsorgeabstände zu Siedlungen einzuhalten sind. Gleichzeitig unterliegen weniger dicht besiedelte Regionsteile oftmals arten- und naturschutzrechtlichen Restriktionen (bspw. windenergierelevante Schutzgebiete), die dazu führen können, dass eine Festlegung potenzieller Vorranggebiete nicht in Frage kommt. Der planerische Leitsatz windhöffige Vorranggebiete mit möglichst geringem Konfliktpotenzial sichern zu wollen, stellt also einen Kompromiss dar, zwischen dem überragenden öffentlichen Interesse an der Windenergienutzung (§ 2 EEG) und anderen öffentlichen Belangen, der im Rahmen der planerischen Abwägung vorgenommen wird.
Die weitgehend gleichmäßige Verteilung der Vorranggebiete ermöglicht auch eine dezentrale Konzentration der Stromerzeugungsstandorte. Dabei sollen im Sinne einer regionalplanerischen Steuerung und Bündelung der künftigen Windenergieanlagen in der Region größere Vorranggebiete gegenüber vielen kleinen Gebieten bevorzugt werden. Vorranggebiete, die lediglich Einzelanlagenstandorte zulassen, sollen im Rahmen der Planung möglichst vermieden werden, um zum einen die Anzahl der Windenergiegebiete insgesamt zu reduzieren und diese zum anderen an Stellen zu konzentrieren, die möglichst wenige Konflikte aufweisen.