Planungsdokumente: Teilregionalplan Windenergie

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Inhaltsverzeichnis

Strategische Umweltprüfung

2.3 Planungskonzept

Als Untersuchungsraum für die Festlegung von Vorranggebieten für die Nutzung von Windenergie gilt die gesamte Region Mittlerer Oberrhein. Zur Ermittlung der Vorranggebiete wurde unter Anwendung mehrerer teils iterativer Planungsschritte ein gesamträumliches Planungskonzept entwickelt. Der Planungsprozess ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt.

Tabelle 1 Planungsprozess

PlanungsschrittVorgehen und Ergebnis
Entwicklung eines Kriterienkatalogs zur Eingrenzung der Suchraumkulisse
  • Festlegung von Eignungs-, Ausschluss- und Konfliktkriterien
Regionsweiter Ausschluss von Flächen, die rechtlich oder tatsächlich nicht für die Windenergienutzung zur Verfügung stehen oder mit sehr hohen Konflikten überlagert sind, die einem Ausschluss nahekommen
  • Geodatenbasierte Analyse der Gesamtregion
  • Flächen, die sich weder für eine Suche nach Vorranggebieten eignen, noch einer Abwägungsmöglichkeit unterliegen
  • „Kein Suchraum“
Prüfung der Windverhältnisse als Eignungsvoraussetzung
  • Geodatenbasierte Analyse der Gesamtregion
  • Bestimmung der für die Windenergienutzung gut geeigneten Teilräume unter Zuhilfenahme des Windatlas BW 2019
  • „Suchraum“

Überlagerung des Suchraums mit Konfliktkriterien
  • Geodatenbasierte Analyse
  • Flächen, die sich für die Suche nach Vorranggebieten eignen und entweder konfliktfrei über gute Windverhältnisse verfügen (Kernsuchraum) oder mit Konflikten überlagert sind, die einer Abwägungsmöglichkeit unterliegen (Suchraum)
Scoping zur Festlegung des Untersuchungsrahmens der Strategischen Umweltprüfung
  • Beteiligung öffentlicher Stellen nach § 2 LplG deren Aufgabenbereich von den Umweltauswirkungen berührt sein kann
Festlegung von Prüfflächen
  • Einzelfallbewertung und Abwägung der Konflikte
  • Abgrenzung von Prüfflächen
Strategische Umweltprüfung inkl. Artenschutz- und Natura 2000-Prüfung der Prüfflächen
  • Gebiete, die nach der Strategischen Umweltprüfung zur Festlegung eines Vorranggebiets in Frage kommen
Festlegung von Vorranggebietsentwürfen – Planentwurf Januar 2024
  • Festlegung möglichst konfliktarmer Vorranggebietsentwürfe zur Anhörung der Träger öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit
Formelles Beteiligungsverfahren der Öffentlichkeit und Träger öffentlicher Belange
  • §§ 12 Abs. 2 und 3 und 13a LplG
  • Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen zu den Vorranggebietsentwürfen
Überlastungsschutz im Rahmen einer regionalen Gesamtbetrachtung
  • Prüfung im Rahmen des formellen Beteiligungsverfahrens nach Auswertung der Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit
  • Ausschluss von Flächen die aufgrund der räumlichen Situation zu einer Überlastung benachbarter Siedlungen und Landschaftsräume führen können
Festlegung von Vorranggebieten
  • Gebiete, die nach Prüfung der Stellungnahmen aus der Beteiligung im Sinne des Planziels als Vorranggebiete festgelegt werden sollen

2.3.1 Winddargebot als Eignungsvoraussetzung

Dem Belang der Windhöffigkeit kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Er ist das maßgebliche Eignungskriterium für die Suche nach potentiellen Vorranggebieten für die Nutzung von Windenergie, da er entscheidend für den Energieertrag und damit den Klimaschutzbeitrag ist. Als zentrale Informationsgrundlage im Maßstab der Regionalplanung liegen die Karten des Windatlas 2019 vor. Diese Daten werden von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) zur Verfügung gestellt. Auf Grundlage der GIS-basierten Information wird das Winddargebot in verschiedenen Werteklassen für die Region Mittlerer Oberrhein dargestellt.

Als planerische Eingangsgröße zur Festlegung von Vorranggebieten, wird die mittlere gekappte Windleistungsdichte [W/m²] herangezogen und nicht mehr die mittlere Jahreswindgeschwindigkeit in m/s. Die mittlere gekappte Windleistungsdichte gilt als zuverlässigerer Parameter für die Bestimmung des potenziellen Energieertrags einer Windenergieanlage. Sie berücksichtigt u.a. den Kappungswert der Windgeschwindigkeit, die Häufigkeitsverteilung und die Turbulenzintensität. Die dem Windatlas BW 2019 zugrundeliegende Methodik kann in diesem nachgeschaut werden.

Den Planungsträgern wird ein Orientierungswert einer gekappten mittleren Windleistungsdichte von mindestens 215 W/m² in 160 m Höhe durch das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft mit Schreiben vom 27.05.2019 als neuer Orientierungswert benannt und den Trägern der Regionalplanung mit Schreiben des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau vom 24.07.2019 als Grundlage für zukünftige Verfahren zur Aufstellung von Windplänen empfohlen. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen des EEG 2023 und der bereits heute verfügbaren Anlagentechnik Potenziale für die Windenergienutzung bereits in Gebieten ab 190 W/m² bestehen.

Ein Großteil der Region Mittlerer Oberrhein verfügt bis auf wenige Ausnahmen flächendeckend über die empfohlenen Windverhältnisse, die sich kleinräumig jedoch voneinander unterscheiden können (Abb. 1). Viele Flächen überschreiten den Orientierungswert deutlich. In den Höhenlagen des Schwarzwalds können so beispielsweise mittlere gekappte Windleistungsdichten gemessen werden, die deutlich über 215 W/m² hinausgehen. Für die Festlegung der Planungskriterien wurden deshalb unterschiedliche Eignungswerte angenommen, um die besonders gut geeigneten Flächen identifizieren und entsprechend planerisch bewerten zu können.

Einige wenige Teilräume der Region unterschreiten den Orientierungswert von 215 W/m² jedoch. Um eine differenzierte Betrachtung der potenziellen Vorranggebiete und die Berücksichtigung der lokal unterschiedlichen Windverhältnisse zu ermöglichen, wurden auch Gebiete ab einer mittleren gekappt gekappten Windleistungsdichte von mind. 190 W/m² betrachtet. Die Windhöffigkeit der einzelnen Vorranggebiete wird in den Gebietssteckbriefen in der Anlage dargestellt.

Abbildung 1. Mittlere gekappte Windleistungsdichte in der Region Mittlerer Oberrhein (Grundlage: Windatlas BW)

2.3.2 Planungsschritte

Zur Ermittlung der Vorranggebiete für die Nutzung von Windenergie wurde ein mehrstufiger Planungsprozess durchlaufen.

Zunächst wurde ein Planungskriterienkatalog entwickelt, der von den Gremien des Regionalverbands Mittlerer Oberrhein beschlossenen wurde. Die Planungskriterien umfassen z. B. das Winddargebot und Siedlungsflächenabstände. Als Grundlage für die Ausschluss- und Konfliktkriterien dienen entsprechende Fachgesetze, der geltende Regionalplan der Region Mittlerer Oberrhein sowie der Gesamtfortschreibungsentwurf des Regionalplans in der Fassung der 1. Offenlage aus dem Jahr 2021 sowie weitere planerische Grundlagen.

Mit der Anwendung des Kriterienkatalogs wurde die Gesamtgebietskulisse für die Region Mittlerer Oberrhein im ersten Schritt eingegrenzt. In diesem Planungsschritt wurden nach Anwendung der Planungskriterien diejenigen Räume identifiziert, in denen im weiteren Planungsprozess nach potenziellen Vorranggebieten für die Nutzung von Windenergie gesucht werden konnte (Suchraumermittlung). Der Suchraum umfasste dabei zunächst eine deutlich größere Flächenkulisse als die Kulisse der späteren Vorranggebiete, die zusammengenommen mindestens 1,8 Prozent der Regionsfläche ergeben müssen (§ 20 KlimaG) (vgl. Kap. 1).

Grundlage für die Auswahl und Abgrenzung der Suchräume und der daraus resultierenden Vorranggebiete ist eine umfassende Abwägung zwischen dem Belang der Nutzung von Windenergie einerseits und konkurrierenden Raumnutzungsansprüchen sowie anderen öffentlichen Belangen andererseits. Dabei ist auch berücksichtigt, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nach § 2 Satz 1 Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient und die erneuerbaren Energien demzufolge als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden müssen (§ 2 Satz 2 EEG).

Der oben angeführte Kriterienkatalog benennt

E Eignungskriterien für die besondere Eignung von Standorten (gestuft nach Windpotenzial). Dabei handelt es sich um Gebiete, die aufgrund bestimmter Eigenschaften in besonderem Maße für den Ausbau der Windenergie geeignet sind. Hier wurden drei Eignungsstufen unterschieden, jeweils mit Bezug zur mittleren gekappten Windleistungsdichte (E1 bis E3),

A Ausschlusskriterien, deren methodische Anwendung zu einem Ausscheiden von Flächen führte, die entweder aus rechtlichen/tatsächlichen (A1) oder planerischen Gründen (A2) insbesondere im Hinblick auf die Festlegung von möglichst konfliktarmen Gebieten für die Errichtung von Windenergieanlagen nicht in Frage kommen sowie

K Konfliktkriterien, die den planerischen Ermessensspielraum bestimmen. Unter Konflikten sind hier Belange zu verstehen, die mit dem Ausbau von Windenergie in Konkurrenz stehen können und hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Bau und Betrieb von Windenergieanlagen geprüft werden müssen. Auch hier wurden drei Stufen unterschieden (K1 bis K3). Hierbei ist zu beachten, dass die Konfliktkriterien der Stufe K3 erst bei der Abgrenzung der konkreten Vorranggebiete zum Tragen kamen. Einige der unter dieser Kategorie geführten Konflikte wurden nach Abgrenzung der Vorranggebietskulisse bei der vorgeschriebenen strategischen Umweltprüfung (SUP) angewendet.

Tabelle 2 Kategorien der Planungskriterien

EignungKategorieKürzelErläuterung
 Sehr hohe EignungE 1Wesentliche Eignungskriterien, prioritärer Suchraum
 Hohe EignungE 2Bedeutende Eignungskriterien, Suchraum zweiter Priorität
 EignungE 3Weitere Eignungskriterien, Suchraum dritter Priorität
 KonflikteK 3Fläche tendenziell konfliktbehaftet, findet erst bei der VRG-Abgrenzung Anwendung
 Hohe KonflikteK 2Fläche überwiegend ungeeignet, Suchraum dritter Priorität
 Sehr hohe KonflikteK 1I.d.R. ungeeignete Flächen, die einem Ausschluss nahe kommen, da rechtliche und planerische Rahmenbedingungen nur in Ausnahmefällen eine Zulässigkeit von WEA vorsehen.
 Planerischer AusschlussA 2Ausschluss wegen planerischer Aspekte, eindeutige Ausschlusskriterien ohne Ausnahmeregelung
 tatsächlicher / rechtlicher AusschlussA 1Tatsächlicher oder rechtlicher Ausschluss erforderlich, eindeutige Ausschlusskriterien, die Errichtung von WEA ist faktisch oder aus rechtlichen Gründen nicht möglich

Im ersten Schritt wurden die Ausschlusskriterien angewendet. Auf den mit einem Ausschlusskriterium versehenen Flächen (A1 und A2) fand weder eine Suche nach Vorranggebieten statt, noch unterlagen sie einer Abwägungsmöglichkeit. Diese Flächen tauchen folgerichtig auch nicht in der Suchraumkulisse auf. Im Unterschied dazu wurden die „Sehr hohen Konflikte“ (K1) zwar ebenfalls nicht für die Suche nach Vorranggebieten herangezogen. Sie können im Rahmen des Planungsprozesses allerdings im Einzelfall nochmals näher betrachtet werden. Das wäre beispielsweise dann denkbar, wenn bereits Pläne für einen Windpark und damit detaillierte Voruntersuchungen und Fachgutachten aus dem Genehmigungsverfahren vorliegen, die über den Detaillierungsmaßstab der Ebene der Regionalplanung hinausreichen. Faktisch kommen die Flächen mit sehr hohen Konflikten mit diesem Vorgehen dem Ausschluss sehr nahe.

Die verbliebene Regionsfläche wurde im zweiten Planungsschritt auf ihre Eignung hin untersucht, d. h. die Kriterien E1 bis E3 kamen zur Anwendung. Da die Region Mittlerer Oberrhein im Vergleich mit den anderen Regionen Baden-Württembergs über eine besondere Begünstigung für die Nutzung der Windenergie verfügt, wurden zur Eingrenzung des Suchraums drei Eignungskategorien unterschieden, die in der Kriterientabelle näher beschrieben sind. E1-Flächen bilden dabei den prioritären Suchraum. Der technische Fortschritt ermöglicht eine effiziente Energiegewinnung auch in Gebieten mit niedrigerer mittlerer gekappter Windleistungsdichte. Im Laufe des Planungsprozesses wurden abgestuft erst die E1- und dann die E2- und E3-Flächen untersucht. Diese Vorgehensweise ermöglichte die flächendeckende Berücksichtigung aller Kommunen, da die Windverhältnisse nicht überall gleich sind.

In die Suchraumkulisse wurden auch Flächen einbezogen, die mit Kriterien aus der Stufe K2 versehen wurden. Auf diesen Flächen liegen zwar hohe Konflikte vor, jedoch konnte erst im Rahmen der konkreten Abgrenzung der Vorranggebietsentwürfe zwischen dem Belang der Windenergienutzung und dem Konflikt abgewogen werden.

Die oben beschriebenen Planungsschritte führten zur Abgrenzung einer ersten Suchraumkulisse, die die Grundlage für den ersten Austausch mit den Gemeinden auf Fachebene in der Region bildete und für die informelle Beteiligung der Öffentlichkeit herangezogen wurde. Die in der Suchraumkarte dargestellten schraffierten Bereiche zeigen die Flächen, die für die Suche nach potenziellen Vorranggebieten weiterverfolgt wurden. Sie sind das Ergebnis der Anwendung der Planungskriterien und haben sich als grundsätzlich geeignet für die Windenergienutzung herausgestellt. Der Suchraum wurde dabei in den allgemeinen und den Kernsuchraum differenziert.

Beim Kernsuchraum handelt es sich um Flächen, die nach Anwendung der Planungskriterien lediglich von den Eignungskriterien E1 – E3 überlagert wurden. D.h. die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Windenergienutzung gegenüber anderen Raumnutzungsansprüchen durchsetzen können wird, wurde dort zunächst als besonders hoch eingestuft.

Im übrigen Suchraum lagen neben den Eignungskriterien auch unterschiedliche Stufen der Konflikte vor (K2 – K3). Diese wurden als Hemmnisse gewertet, die einer Windenergienutzung entgegenstehen könnten, jedoch wurde davon ausgegangen, dass diese durch eine sorgfältige Windparkplanung durch den Vorhabenträger sowie Gebietsabgrenzung auf Genehmigungsebene überwunden werden können.

Abbildung 2 Suchraumkarte Windenergie aus der informellen Beteiligung

Die graue Fläche zeigt den Bereich der Region, der nicht für die Suche herangezogen wurde, da er sich aus unterschiedlichen Gründen nicht gut für die Windenergienutzung eignet. Neben Kriterien (A1 – K1), die einen tatsächlichen bzw. rechtlichen Ausschluss zur Folge haben, fallen hierunter auch die Flächen, die aus planerischen Gründen zur Vermeidung von Konflikten mit anderen Belangen eindeutig ausgeschlossen werden können. Zu ersterem zählen beispielsweise bebaute und geplante Wohngebiete, Abstände zu Wohngebieten sowie Infrastruktureinrichtungen und deren Anbauverbotszonen. Einzelfallprüfungen der Vorranggebiete im Rahmen der vorliegenden Umweltprüfung, Hinweise der Kommunen und der Bevölkerung sowie der Fachbehörden, haben im Laufe des Planungsverfahrens an vereinzelten Stellen zu einer Neubewertung der Eignungssituation geführt.

Auf Basis der Ergebnisse des fachlichen Austausches mit den Kommunen und der informellen Öffentlichkeitsbeteiligung wurden Prüfflächen zugeschnitten, die der weiteren Konfliktbewertung zugeführt werden mussten. Hierzu wurden die K3-Kriterien herangezogen. Die Prüfflächen wurden mit den K3-Kriterien überlagert und die Belange gegeneinander abgewogen.

Auf Basis der durchgeführten Planungsschritte wurden geeignete Flächen für die Festlegung von Vorranggebieten (Vorranggebietsentwürfe) abgegrenzt. Die Vorranggebietsentwürfe wurden anschließend der Strategischen Umweltprüfung unterzogen. Die Ergebnisse dieser Prüfung befinden sich in den Gebietssteckbriefen.

Für die vorliegende Gebietskulisse wird nach der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit zunächst geprüft, inwiefern Vorranggebietsentwürfe aus der Planung herausgenommen werden müssen, um eine räumliche Überlastung zu vermeiden. Danach muss die verbleibende Gebietskulisse mit dem zu erreichenden Flächenbeitragswert von mindestens 1,8 Prozent abgeglichen werden. Bei stark abweichenden Ergebnissen ergibt sich möglicherweise das Erfordernis der Überarbeitung und eine Rückkehr zu den vorangegangenen Planungsschritten sowie eine Einzelfallbetrachtung bestimmter Vorranggebietsentwürfe.